Die inter Capital Bank ist ein schwarzes Schaf des Kapitalmarkts, ein ganz besonderes sogar. Selbst Geistliche wurden abgezockt. Schaden: mehr als 83 Millionen Mark.
Bruder Michael, was machst Du eigentlich mit Deinem Geld?“ Zugegeben, keine diskrete Frage, auch nicht für einen Geistlichen. Aber der Beginn einer Geschichte, die viel mit scheinbarer Diskretion und ebenso viel mit Naivität und krimineller Energie zu tun hat. Doch der Reihe nach: Die Mitglieder einer christlichen Glaubensgemeinschaft in Norddeutschland standen nach dem Gottesdienst in kleinen Gruppen zusammen und plauderten, als einer der Brüder seinem Hirten diese Frage stellte. Der neugierige Bruder verwickelte Prediger Michael in ein Gespräch über Geldanlagen, und es dauerte nicht lange, bis er sich als Finanzberater zu erkennen gab.
Mit hohen Zinsen wurden Anleger geködert
Ohne dass Bruder Michael es bemerkte, fand ein Akquisitions-Gespräch statt. Der Finanzberater erzählte ihm von einer sensationellen Anlagemöglichkeit. Die Inter Capital Bank, eine exklusive britische Privatbank mit Schweizer Management, zahle auf Festgeld bis zu elf Prozent Zinsen im Jahr. Bruder Michael staunte – aber er zweifelte nicht. Auch der Firmensitz auf der Karibikinsel Anguilla, einer Steueroase mit sicherem Bankgeheimnis, machte ihn nicht stutzig. Er zahlte bei der lnter Capital Bank Geld ein – viel Geld. Die Bank offerierte Festgeldanlagen mit Zinsen zwischen sieben und elf Prozent. Verkauft wurde über deutsche Vermittler und über die eigene Briefkasten-firma Capital Finanz AG in Zürich. Die Strategie war einfach: Anpreisen des sicheren Bankgeheimnisses, Nummernkonto, Steueroase, hohe Rendite. Dazu Wiederanlage der hohen Zinserträge. Diese Versprechungen wiegten Anleger in Sicherheit und trübten ihren Verstand.
Das Schneeballsystem hinter dem Angebot
Was nicht nur Bruder Michael, sondern auch viele andere Anleger überzeugte, war die professionell aufgemachte Informationsbroschüre: Geworben wurde mit der Insel der Reichen, auf der nun auch ein deutscher Kleinanleger sein Geld investieren konnte. „Britisches Hoheitsgebiet“, das weckte bei den Anlegern Vertrauen: Politisch stabil, Steuern und Armut Fehlanzeige, kein Massentourismus – dort sind Anleger unter sich.
Keiner dachte daran, sich die Zinsen einmal auszahlen zu lassen, um zu prüfen, ob das Geld auch tatsächlich vorhanden war. Die tollen Zinserträge sahen die Anleger nur auf ihren Kontoauszügen – und freuten sich. Dass die Inter Capital Bank gar keine Bank war, das wusste keiner. Eine Banklizenz hatte das Schwindel-Unternehmen nämlich nie gehabt. Das Recht, Einlagengeschäfte zu betreiben, also auch nicht. Nach einer Mittelverwendungskontrolle zu fragen, kam Anlegern nicht in den Sinn.
Diese Unerfahrenheit kommt sie nun teuer zu stehen: Das eingesammelte Geld wurde nämlich nicht angelegt. Es floss in die Taschen der Initiatoren. „Ein Teil der neu zugeflossenen Gelder wurde dazu verwendet, um Anleger, die schon länger dabei waren, mit Auszahlungen in Sicherheit zu wiegen. Ein Schneeballsystem. Doch das ist in Deutschland verboten“, erklärt Rechtsanwalt Alexander Engelhard von der Kanzlei Engelhard, Busch & Partner in München, der inzwischen einige betroffenen Brüder der Glaubensgemeinschaft vertritt. Denn die Zinsträume der frommen Norddeutschen sind geplatzt: Die Krippo Essen und die Staatsanwaltschaft Bochum ermitteln gegen die Verantwortlichen wegen Betrugs. Die Schweizer Rudolf Ruch und René Eugen Lins sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Für beide ist der Blick durch schwedische Gardinen nicht neu: Bereits 1990 wurden sie in der Schweiz wegen Anlagebetrugs zu hohen Haftstrafen verurteilt. Damals arbeiteten sie nach dem gleichen Prinzip und sogar unter dem gleichen Namen: Inter Capital Bank. Kaum auf freiem Fuß, gingen die beiden Mitte der 90er-Jahre nach Deutschland und machten mit ihrem „Erfolgsrezept“ weiter. Und das ging lange Zeit sogar auf: „Durch die langen Laufzeiten von vier, fünf oder sogar zehn Jahren sowie durch die Wiederanlage der Zinsen waren die Auszahlungswünsche gering.“ Das war mit ein Grund, warum der Betrug fünf Jahre lang laufen konnte, ohne dass Anleger misstrauisch wurden.
Mancher hat sogar bis heute nich von dem Schwindel bemerkt, denn bis Anfang 2000 flatterten Benachrichtigungen über – angeblich – erzielte und reinvestierte Zinsen ins Haus. „Leider haben hier viele Ältere ihr Geld zur Altersvorsorge angelegt denn Festgelder gelten ja als sicher“ erzählt Jurist Alexander Engelhard. Die Betrüger hatten leichtes Spiel und kassierten ab. Aber beileibe nicht nur wegen der Unerfahrenheit der Anleger. Auch viele Finanzberater nach ihrem Selbstverständnis Profi im Geschäft der Kapitalanlagen müssen naiv gewesen sein. Sie hatten die Inter Capital Bank in ihrem Angebot, verkauften die Festgeld-Anlagen mit dem Superzins. Dass sie nich stutzig wurden – unglaublich.
Finanzberater sahen nur auf ihre Provision
Selbst als einschlägige Fachzeitschriften vor der Inter Capital Ba warnten, ging der Verkauf weiter „Viele Berater haben sich darüber keine Gedanken gemacht, für sie zählt einfach nur die Provision“, sagt Staatsanwalt Ekkehart Carl aus Bochum. Das schützt sie vor einer möglichen Beraterhaftung allerdings nicht: „Finanzberater sind verpflichtet, die einschlägigen Zeitschriften zu lesen“, erklärt Rechtsanwalt Engelhard, „sie hätten von der Gefahr wissen müssen, oder sie haben sie einfach in Kauf genommen. Das war entweder Dummheit – oder Absicht.“
Selbst heute gibt es noch Berater, die Kunden wider besseres Wissen mit Durchhalteparolen ruhig stellen. Anwalt Engelhard kennt einen solchen Fall: Den Anlegern wurde erzählt, die Ermittlungen der Justiz bezögen sich nur auf steuerliche Ungereimtheiten, die Geldanlagen seien dagegen nicht in Gefahr. Tatsächlich beläuft sich der von der Staatsanwaltschaft Bochum bisher ermittelte Schaden jedoch auf rund 83 Millionen Mark. „Da viele Einzahlungen in bar aus dem Aktenkoffer erfolgten, lässt sich der genaue Schaden noch gar nicht ermessen“, so Staatsanwalt Carl.
Oft nur geringe Chance, das Geld wiederzusehen
Was kann der geprellte Anleger jetzt noch unternehmen? Rechtsanwalt Engelhard, der rund 90 Geschädigte vertritt, sagt: „Wir versuchen, auf zwei Wegen das Geld unserer Mandanten zu retten: Zum einen halten wir uns an die Initiatoren und zum anderen an die Finanzberater.“ Das Vorgehen gegen die Initiatoren verspricht in diesem Fall – wenigstens teilweise – Erfolg, da auf einem Konto der beiden in U-Haft sitzenden Schweizer rund 83 Millionen Mark sichergestellt werden konnten. Der Rechtsanwalt hat bereits ein Arrestverfahren eingeleitet: Damit wird das vorhandene Geld für seine Mandanten bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens gesichert. Es wird sozusagen für sie reserviert.
Wie viel der einzelne Anleger von seinem Geld wiedersieht, hängt aber davon ab, wie hoch die Schulden der Betrüger insgesamt sind. Reicht das Geld nicht, sind – in diesem Fall -auch die Chancen auf Beraterhaftung nicht schlecht. Der Bundesgerichtshof hat nämlich kürzlich entschieden, dass Finanzvermittler eine besondere Prüfungspflicht auch bei ausländischen Geldanlagen haben, die ungewöhnlich hohe Zinsen oder Rendite versprechen (Az.: III ZR 62/99). „Wir raten unseren Mandanten, in solchen Fällen auch die Finanzberater in Regress zu nehmen“, so Engelhard. Die Haftung stößt allerdings an ihre Grenzen, wenn die Finanzmittel der Berater aufgebraucht sind. Auf jeden Fall muss der Anleger schnell handeln, wenn er erfährt oder ahnt, dass er einem Betrüger aufgesessen ist. Gewissheit känn er häufig schon über einen Anruf bei den Verbraucherschutzverbänden erhalten.
Der nächste Schritt ist dann der zum Rechtsanwalt. Ein Anwalt ist effektiv und er kostet weniger, wenn sich geprellte Anleger zusammenschließen und eine Interessengemeinschaft gründen. „Leidensgenossen“ findet man über Zeitungsinserate, oder man kennt sich sowieso – wie im Fall der betrogenen norddeutschen Glaubensgemeinschaft.
Interessengemeinschaft schützt oft den Initiator
Vorsicht aber bei Interessengemeinschaften, die von Initiatoren oder Finanzberatern ins Leben gerufen wurden. „Die wurden meist nur gegründet, um Anleger zu beruhigen und alles im Sande verlaufen zu lassen“, warnt Anwalt Engelhard.
Der beste Schutz vor Betrügern aber ist die Früherkennung. Und da können Investoren eine Menge tun, angefangen beim gesunden Misstrauen: Vorsicht vor so genannten „0ff-shore-Anbietern“. Das sind Firmen die ihren Sitz auf exotischen Inseln haben. Achtung auch bei Zinssätzen, die weit über den in Europa üblichen liegen. Und: Wer unaufgefordert angerufen wird, sollte jedes Akquisitionsgespräch abbrechen.
Ist das Angebot jedoch zu verlöckend, um ihm zu widerstehen, so sollten Anleger auf jeden Fall die Meinung eines möglichst objektiven Dritten hören, etwa die eines Verbraucherschutzverbandes, bevor sie investieren. Bei einer höheren Summe kann es sich lohnen, das Angebot von einem Anwalt oder Notar prüfen zu lassen. „Das kostet zwar etwa 1500 Mark, ist aber immer noch billiger, als später das ganze Geld zu verlieren“, gibt der Münchner Anwalt Alexander Engelhard zu bedenken. Billiger sind auf Honorarbasis arbeitende, unabhängige Vermögensberater.
Auch der fromme Bruder Michael hätte gut daran getan, bei einer so weltlichen Angelegenheit wie einer Kapitalanlage in einer exotischen Steueroase, das Angebot kritischer zu prüfen. Denn nicht nur im Märchen. verstecken sich die Wölfe gern im Schafspelz.
Alexander Engelhard ist seit 1991 zugelassener Anwalt.
Seine Kernkompetenzen liegen in den Bereichen Kapitalanlagerecht, Wertpapierrecht, Bank- und Börsenrecht, dem Recht der Warentermingeschäfte, im Erbrecht sowie dem internationalen Privatrecht.
Rechtsanwalt Engelhard ist darüber hinaus für verschiedenste Veröffentlichungen im Bereich des Kapitalanlagerechts verantwortlich.