Zum Sachverhalt:
Ein Vater übertrug auf seinen Sohn ein Grundstück und ließ sich dabei ein Nutzungsrecht an zwei Zimmern sowie ein Mitbenutzungsrecht an weiteren Räumen und gemeinschaftlichen Einrichtungen des Wohnhauses und des Grundstückes einräumen. Elf Jahre nach der Eintragung im Grundbuch verstarb der Vater. Ein Sohn macht nun einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den begünstigten Sohn geltend.
Aus den Gründen:
Überträgt ein Erblasser ein Hausgrundstück auf den Beschenkten und lässt er sich ein ausschließliches Wohnrecht lediglich an zwei Zimmern des Hauses einräumen sowie im Übrigen teilweise ein Mitbenutzungsrecht, so kann die Übertragung eine wesentliche Verschlechterung der Rechtstellung des Erblassers bedeuten, welche die Zehn-Jahres-Frist des § 2325 III BGB in Lauf setzt.
Anmerkung:
Nach § 2325 III BGB bleibt hinsichtlich eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs eine Schenkung unberücksichtigt, wenn zur Zeit des Erbfalls zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstands verstrichen sind. Nach der Rechtsprechung ist eine Leistung im Sinne dieser Vorschrift aber nicht schon dann zu bejahen, wenn der Schenker seine Eigentümerstellung aufgibt, sondern erst dann, wenn er auch darauf verzichtet, das Grundstück im Wesentlichen weiterhin zu nutzen. Nach der Rechtsprechung beginnt die Frist von zehn Jahren nur dann, wenn der Erblasser mit der Übertragung einen spürbaren Vermögensverlust erleidet. Hat sich der Erblasser z. B. einen uneingeschränkten Nießbrauch vorbehalten, beginnt die Frist nicht zu laufen, sondern wird hinausgeschoben.
Nach Ansicht des OLG Bremen hatte der Erblasser in dem zu entscheidenden Fall, da er sich kein uneingeschränkten Nießbrauch hat einräumen lassen, sondern lediglich ein Wohnrecht an zwei Zimmern sowie ein Mitbenutzungsrecht an weiteren Räumen und gemeinschaftlichen Einrichtungen, einen spürbaren Vermögensverlust erlitten, so dass die zehnjährige Frist bereits mit Eintragung im Grundbuch begonnen und daher zur Zeit des Erbfalls abgelaufen war.
Bei lebzeitigen Schenkungen ist daher immer zu bedenken, ob und inwieweit sich der Schenker noch Nutzungsrechte an dem zu verschenkenden Gegenstand bzw. Grundvermögen vorbehält, da ansonsten der Begünstigte mit Pflichtteilsergänzungsansprüchen nach dem Tod des Schenkers belastet werden kann.
Alexander Engelhard ist seit 1991 zugelassener Anwalt.
Seine Kernkompetenzen liegen in den Bereichen Kapitalanlagerecht, Wertpapierrecht, Bank- und Börsenrecht, dem Recht der Warentermingeschäfte, im Erbrecht sowie dem internationalen Privatrecht.
Rechtsanwalt Engelhard ist darüber hinaus für verschiedenste Veröffentlichungen im Bereich des Kapitalanlagerechts verantwortlich.