Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung von Anlegern, denen sogenannte Bankgarantiegeschäfte angeboten wurden. Landgericht Tübingen, Urteil vom 08.07.1998, AZ: 7 O 1996/97
Zum Sachverhalt:
Die Beklagten befassten sich seit Jahren mit der Vermittlung von Kapitalanlagen. Seit 1992 arbeiteten sie mit einem weiteren Beklagten zusammen, der angeblich am internationalen Handel mit Bankgarantien beteiligt war. In Wirklichkeit handelt es sich insgesamt nur um ein Schneeballsystem, bei dem die eingezahlten Kundengelder anderweitig verwendet wurden und die versprochenen hohen Renditen mit den Einzahlungen neuer Kunden vorgetäuscht und bedient wurden.
Aufgabe der Beklagten war es den Kontakt mit den Kunden herzustellen und von ihnen Kapital für den angeblich existierenden Bankgarantiehandel zu beschaffen. Der Kläger leistete aufgrund der Vermittlung der Beklagten verschiedenste Einzahlungen, um sich am sogenannten Bankgarantiehandel zu beteiligen.
In dem Angebot, das seinen Aufträgen zugrunde lag, heißt es zur Anlage IF 300:
„Die Bonfides International AG platziert unter der Bezeichnung IF 300 Beteiligungen an speziell ausgewählten, auf dem international anerkannten Kapitalmarkt anerkannten Anlageformen, die überdurchschnittliche Erträge erzielen, risikoarm und kurz- bis mittelfristig verfügbar sind.“
In dem verwendeten Merkblatt ist von „höchster Sicherheit und überdurchschnittlicher“ Verzinsung, „völlig unspekulativen Geschäft“, „gewährleistet, dass…. ihr eingesetztes Kapital keinesfalls gefährdet ist“ und anderem mehr die Rede.
Als Ertragsprognose war jeweils eine Verzinsung von insgesamt 18 % vorgesehen.
Auszahlungen hat der Kläger nicht erhalten. Er wirft den Beklagten betrügerisches Vorgehen vor. Sie hätten die Existenz eines angeblich internationalen Handels mit Bankgarantien mit hohen Renditen und hoher Sicherheit vorgetäuscht, obwohl sie gewusst hätten, dass es einen solchen Handel nicht gibt und die Renditeversprechungen irreal sind. Im Übrigen wäre er auf diese Weise vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden.
Die Beklagten wenden dagegen ein, sie hätten an die Kapitalanlage geglaubt und selbst Kapital angelegt. Zum Zeitpunkt der Anlage des Klägers hätte kein Anlass zum Misstrauen bestanden. Falls eine Haftung überhaupt bestehe, habe sich der Kläger ein erhebliche Mitverschulden zurechnen zu lassen, weil er nicht weitere Nachweise über die Sicherheit der Anlage verlangt habe.
Aus den Gründen:
Den Beklagten ist unabhängig von der strafrechtlichen Verurteilung wegen Betrugs zumindest eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB vorzuwerfen.
Geschädigte Anleger können neben ihren eigentlichen Vertragspartnern einer Anlagevermittlung, auch die für den Vertragspartner verantwortlichen Personen heranziehen (z.B. Angestellte, BGH WM 1991, 127; Geschäftsführer, BGH NJW 1994, 512; Alleingesellschafter OLG Düsseldorf WM 1994, 1520; Vorstandsmitglieder BGH WM 1996, 1214), wenn diese leichtfertig und gewissenlos handeln, indem sie etwa entsprechende Organisationen aufbauen oder unterhalten oder an ihnen mitwirken und dadurch veranlassen oder dulden, dass dringend gebotene Hinweise auf Risiken unterbleiben und vertragliche Aufklärungspflichten vernachlässig werden, wenn sie dabei für möglich halten und in Kauf genommen wird, dass die Anleger geschädigt werden. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Das Risiko der Anlageform, die Gegenstand des Rechtsstreits ist, ging in gewisser Hinsicht weit über dasjenige bei Termingeschäften hinaus. Wenn dort jedenfalls die Anlageobjekte, die Verfahrensbeteiligten und das Verfahren genau bekannt sind und jederzeit beobachtet werden können, war hier weder hinsichtlich der Anlageart noch hinsichtlich der Anlagepartner irgendetwas nachprüfbares oder verlässliches bekannt.
Ausreichende Nachforschungen über die Person des Initiators der Bankgarantiegeschäfte und die Anlageart sind ebensowenig ersichtlich, wie zuverlässige Tatsachen und verlässliche Belege.
Dass es den behaupteten selbstständigen Markt für internationalen Banksicherheiten in dem behaupteten Umfang nicht geben kann, liegt auf der Hand. Erst recht gilt dies für ausgebildete Bankbetriebswirte, wie die Beklagten. Banksicherheiten lassen sich nicht gänzlich vom Grundgeschäft abtrennen und stellen keinen eigenen, frei übertragbaren Vermögensgegenstand dar. Ein realistisches Interesse kann es hieran nicht geben. Erst recht nicht mit den behaupteten, geradezu traumhaft hohen Renditen. Gerade führende und solide Bankinstitute (nur sie böten die erforderliche Sicherheit) sind auf solche Refinanzierungszinssätze nicht angewiesen. Nur solche hohen Zinssätze wären aber das zwangsläufige Korrelat zu den versprochenen hohen Renditen der Anleger. Solche Banken können sich vielmehr problemlos auf den internationalen Kapitalmärkten zu weit niedrigeren Zinsen bedienen.
Ein Markt könnte sich also allenfalls, wenn überhaupt am Rande bilden, wenn noch nicht ausreichend etablierte ausländische Bankunternehmen ohne entsprechenden Rückhalt und ohne entsprechende Sicherheiten sich mit demgemäss höheren Zinssätzen auf dem behaupteten Markt refinanzieren müssten. Dann kann aber von einer auch nur einigermaßen sicheren Anlage keine Rede sein.
Dieser Sachverhalt war den Beklagten nicht nur aufgrund ihrer Ausbildung durchaus bewusst. In der Wirtschaftspresse wurde schon seit 1992 vor einschlägigen Geschäften mit Bankgarantien und Kreditbriefen gewarnt. Die Beklagten sind zumindest leichtfertig und verantwortungslos mit den Anlagegeldern des Klägers umgegangen. Statt dafür zu sorgen, dass der Kläger pflichtgemäß auf die Risiken der ausländischen Kapitalanlage hingewiesen wird und zu offenbaren, dass verlässliche Informationen und Sicherheiten nicht gegeben sind, ließen sie es noch zu, dass wahrheitswidrige und dubiose Anlagebeschreibungen verwandt wurden.
Es mag als wahr unterstellt werden, dass die Beklagten eigenes Geld in die Anlageform investiert haben. Das belegt keineswegs die Gutgläubigkeit der Beklagten. Eine viel näherliegende Deutung ist nämlich, dass damit kurz vor dem dann doch erfolgten Zusammenbruch noch versucht werden sollte, Stockungen im Schneeballsystem und im Geldfluss zu überwinden. Es kann aber auch schon an entsprechende Entlastungsmomente für drohende Straf- und Zivilverfahren gedacht worden sein.
Auch ein Mitverschulden des Klägers ist nicht ersichtlich. Gerade wegen des Ungleichgewichts, das bei Beratungsgesprächen über schwierige Anlagen besteht, zu denen auch der vorliegende Fall zählt, ist Zurückhaltung mit der Annahme eines Mitverschuldens angebracht.
Alexander Engelhard ist seit 1991 zugelassener Anwalt.
Seine Kernkompetenzen liegen in den Bereichen Kapitalanlagerecht, Wertpapierrecht, Bank- und Börsenrecht, dem Recht der Warentermingeschäfte, im Erbrecht sowie dem internationalen Privatrecht.
Rechtsanwalt Engelhard ist darüber hinaus für verschiedenste Veröffentlichungen im Bereich des Kapitalanlagerechts verantwortlich.