Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte bereits mit Urteil vom 09.05.2001 Klauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), die die Umwandlung einer Lebensversicherung in eine beitragsfreie Versicherung und Bestimmungen der Kündigung der Lebensversicherung im Hinblick auf die Berechnung der beitragsfreien Versicherungssumme und des Rückkaufswertes sowie einen Stornoabzug betrafen, als unwirksam wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot erklärt.
Nach Ansicht des BGH waren die Bestimmungen deshalb unwirksam, da den Versicherungsnehmern die bei einer Beitragsfreistellung oder Kündigung insbesondere in den ersten Jahren resultierenden, erheblichen wirtschaftlichen Nachteile nicht ausreichend deutlich gemacht worden sind. Die wirtschaftlichen Nachteile liegen vor allem darin, dass die Sparanteile der Prämien sofort mit Kosten, insbesondere Vermittlungsprovisionen, verrechnet werden, so dass am Anfang der Versicherung keine oder nur geringe Beträge zur Bildung einer beitragsfreien Versicherungssumme bzw. eines Rückkaufswertes vorhanden sind.
Im Anschluss an dieses Urteil vom 09.05.2001 hatte die beklagte Versicherung im Wege des Treuhänderverfahrens die vom BGH als unwirksam erachteten Klauseln durch inhaltsgleiche Bestimmungen ersetzt. Zu diesen im Wege des Treuhänderverfahrens ersetzten Bestimmungen über Beitragsfreistellung, Kündigung und Rückkaufswert hat der BGH nun mit Urteil vom 12.10.2005 erneut festgestellt, dass diese inhaltsgleichen Bestimmungen ebenfalls wegen Verstoß gegen das Transparenzgebot unwirksam sind.
Die unwirksamen Bestimmungen hat der BGH dann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend korrigiert, dass der Stornoabzug entfällt und die beitragsfreie Versicherungssumme bzw. der Rückkaufswert bei Kündigung einen Mindestwert nicht unterschreiten dürfen. Dieser Mindestbetrag wird bestimmt durch die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluss vom 15.02.2006 die Verfassungsbeschwerde eines Versicherungsnehmers, der 1992 eine kapitalbildende Lebensversicherung gekündigt hatte, zwar nicht angenommen, in der hierzu ergangenen Begründung aber festgestellt, dass der Gesetzgeber im Rahmen des ihm obliegenden Schutzauftrages Vorkehrungen dafür treffen muss, dass die Versicherungsnehmer bei einer kapitalbildenden Lebensversicherung erkennen können, in welcher Höhe Abschlusskosten mit der Prämie verrechnet werden dürfen und dass sie bei einer vorzeitigen Beendigung des Lebensversicherungsverhältnisses eine Rückvergütung erhalten müssen, deren Wert auch unter Berücksichtigung in Rechnung gestellter Abschlusskosten sowie des Risiko- und Verwaltungskostenanteils in einem angemessenen Verhältnis zu den bis zu diesem Zeitpunkt gezahlten Versicherungsprämien steht.
Nach Ansicht des BVerfG weisen nämlich Lebensversicherungsverträge mit sog. gezillmerter Prämie die Grundstruktur auf, dass dem Versicherungsnehmer die von dem Versicherer berechneten Kosten nicht gesondert in Rechnung gestellt werden, sondern mit der insgesamt zu zahlenden Prämie verrechnet werden.
Die Prämienhöhe wird demnach so berechnet, dass sie über die Gesamtlaufzeit des Vertrages gleich bleibt und dass Prämienzahlungen nach Abzug der laufenden Verwaltungskosten und Risikoanteile zunächst dazu verwendet werden, die Abschlusskosten zu decken. Auf diese Weise gelingt es, den Versicherungsunternehmen die an die Vermittler zu zahlenden Provisionen einerseits rasch auszuzahlen, andererseits in Folge der baldigen Verrechnung der Abschlusskosten mit der Prämie in den ersten Jahren nur begrenzte Mittel für die entsprechende Vorfinanzierung aufwenden zu müssen.
Folge dieser Vorgehensweise sei allerdings, dass der Rückkaufswert von Lebensversicherungsverträgen in den ersten Jahren sehr niedrig ist oder sogar entfällt, so dass der Zweck, neben der Risikosicherung Vermögenswerte anzusparen, insoweit ganz oder weitgehend vereitelt wird.
Nach Meinung des BVerfG entspricht eine Vereinbarung solcher gezillmerter Prämien nur dann dem Gebot eines gerechten Ausgleichs der Interessen aller Betroffenen, wenn gesichert ist, dass die den Versicherungsnehmern angelasteten Abschlusskosten im Verhältnis zu den vom Versicherer erbrachten Leistungen auch mit Blick auf eine mögliche vorzeitige Beendigung des Vertrages und damit die Verkürzung seiner Laufzeit angemessen sind.
Das BVerfG, das dem Gesetzgeber ohnehin aufgegeben hat, bis 31.12.2007 eine mit den grundrechtlichen Vorgaben vereinbare Regelung des Rechts der Lebensversicherung zu treffen, hat hierzu festgestellt, dass dies nach der bisher geltenden Rechtslage bis zum Urteil des BGH vom 12.10.2005 nicht gewährleistet war.
Nach dem Urteil des BGH wäre aber bei einer vorzeitigen Beendigung der Beitragszahlungen jedenfalls die versprochene Leistung geschuldet; der vereinbarte Beitrag der beitragsfreien Versicherungssumme und des Rückkaufwertes dürfe aber einen Mindestbetrag nicht unterschreiten, wobei sich dieser Mindestbetrag durch die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals bestimme. Nach Ansicht des BVerfG haben sich damit wesentliche Änderungen zugunsten der Versicherungsnehmer ergeben, so dass der Verfassungsbeschwerde im Ergebnis keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukäme.
Anmerkung:
Mit Urteil vom 09.05.2001 hatte der BGH etwa folgende Klausel für unwirksam erklärt:
Bei Kündigung und Auszahlung des Rückkaufswerts
„Sie können Ihre Versicherung jederzeit zum Schluss einer Versicherungsperiode schriftlich kündigen.
Nach Kündigung erhalten Sie – soweit vorhanden – den Rückkaufswert. Er wird nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode als Zeitwert Ihrer Versicherung berechnet (§ 176 VVG). …“
Wer eine derartige oder vergleichbare Klausel, die bis zum Jahr 2001 und teilweise auch noch darüber hinaus verwendet wurde, in seinem Versicherungsvertrag hat, hat bei Kündigung nach den Grundsätzen des Urteils des BGH vom 12.10.2005 Anspruch auf Auszahlung in Höhe des Mindestbetrages, der bestimmt wird durch die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals. Dies dürfte in etwa knapp der Hälfte der eingezahlten Beträge entsprechen. Versicherungsnehmer, die bereits früher Verträge gekündigt haben und Auszahlungen erhalten haben, sollten prüfen lassen, ob sie nicht noch Nachzahlungen von den Versicherungen erhalten können.
Oliver Busch ist seit 1992 zugelassener Rechtsanwalt in München.
Sein Fokus liegt in den Bereichen Bank- und Börsenrecht, Kapitalanlagebetrug, Arbeitsrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht.
Rechtsanwalt Busch ist als Autor und Referent zu verschiedenen Themen aus dem Kapitalanlagerecht tätig.